Auch auf die Gefahr, mich unbeliebt zu machen, aber mir geht der aktuelle Lockdown nicht weit genug. Ich verstehe völlig, daß die Regierung versucht, den Schaden im Lockdown zu begrenzen, aber der Preis dafür ist hoch.
Ich habe neulich den schönen Vergleich mit den löchrigen Käsescheiben gehört. Nicht jede Massnahme ist perfekt, aber wenn wir Scheibe auf Scheibe legen, dann entsteht eben doch eine Schutzschicht.
Nun gehen wir her und lassen Geschäfte und Shops geöffnet, was wohl noch vertretbar snd, ich brauche selten länger als 20 Minuten für den Lebensmitteleinkauf. Aber die Kinder sitzen mehrere Stunden jeden Tag in der Schule, vorher noch eine Stunde im ÖPNV.
Also haben wir Käseschichten, Abstand, Maske, Versammlungsbeschränkung, und dann hauen wir ein Loch mitten in den Stapel der Käsescheiben, weil wir die Kinder nicht zu Hause lassen können. Auch das Problem verstehe ich. Schulen geschlossen und Kinder zu Hause bedeutet, daß viele Menschen ihrer Arbeit nicht nachgehen können, da das Kind oder die Kinder zu Hause betreut werden müssen. Homeoffice ist da für einige eine Lösung, aber nun mal nicht für den Maurer oder die Maurerin, genauso wenig wie für viele andere Berufe im Dienstleistungs- oder Handwerksbereich.
Schlimmer noch ist aber die Situation in den Schulen, wenn die Kinder zu Hause blieben: Distanzunterricht funktioniert einfach nicht. Nicht, daß es die Werkzeuge nicht gäbe, aber es kann niemand damit umgehen. Ausgenommen von einigen Ausnahmen ist die Lehrerschaft der deutschen Schulen gar nicht in der Lage, Distanzunterricht anzubieten. Fehlende Kenntnisse, fehlende Ideen und das krampfhafte Festhalten an den Methoden von gestern – oder eher vorgestern. Ich habe mich die tage mal gefragt, was sich in den letzten 30 Jahren in der Schule geändert hat, also was hat sich geändert seitdem ich die Schule verlassen habe… Erschreckend wenig. Selbe Uhrzeiten, selbe Unterrichtstundenlänge, selbes Stundenplankonstrukt. Die Bücher sind bunter, aber schlechter geworden. Ohne genaue Anleitung kann man als Erziehungsberechtigter nicht einmal erahnen, wie der Lösungsweg für eine Rechenaufgabe sein soll, früher wurde wenigstens danach gefragt, Aufgabenstellungen waren klarer.
Die zuständigen Minister verwechseln regelmäßig WLAN und digitale Tafeln mit Medienkompetenz und Mediendidaktik. Bestenfalls wirft man den Schulen iPads in den Klassenraum, ohne einen Gedanken daran zu verschwenden, wer die Geräte administriert, wie sie eingesetzt werden, eben so etwas wie ein Einsatzkonzept. Jeder drittklassige IT Projektmanager weiß, daß Hardware ganz unten im Plaungsprozess kommt und ein solches Projekt sehr viel an Flexibilität einbüßt, wenn Vorgaben dazu bestehen. Schulen müssen – zumindest im Landkreis Darmstadt-Dieburg – jetzt Lehr- und Lernprozesse um das Apple iPad bauen, und haben jetzt schon mit immensen Plattformproblemen zu kämpfen. Alternativen wie Chromebooks oder Linux Laptops wurden schlicht ignoriert, Samsung tablets „gibt es nicht“, Windows Laptops haben nur ein paar Jahre Support. Die Begründung zur Gerätewahl ist abenteuerlich, lückenhaft und eigentlich nicht Ernst zu nehmen, leider aber die Grundlage zur Anschaffung von Apple iPads. 50% Bildungsrabatt gebe es im AppStore. Wofür ist mir im Moment schleierhaft, die Office-Programme, sowie auch MS Teams etc. sind für 0 Euro im Appstore zu haben, die Ersparnis wäre also 50% von 0 Euro = 0. Daß dazu eine Subskription erforderlich ist, die nicht über den AppStore abgewickelt wird, wird verschwiegen. Das Schulsystem in Hessen hat die Digitalisierung seit Jahrzehnten verschlafen, das bezahlen wir heute teuer damit, daß wir die Kinder zur Schule schicken, obwohl wir sie zum Schutze der Gesundheit der Kinder selber und von Risikogruppen unter den Angehörigen besser zu Hause liessen. Wir splitten die Klassen nicht, wir entwickeln keine Hybridkonzepte, wir versuchen nicht einmal, etwas besser zu machen. Stattdessen machen wir Dienst nach Vorschrift, bis uns die Infektionszahlen einholen. Die Art und Weise, wie in den Schulen mit der Pandemie umgegangen wird, ist eine Vollkatastrophe.